überall und nirgends - amor tollit timorem!
rosenblätter lagen verstreut auf der gasse, als ich hinaufstieg. den berg hinan führten trassenreste als halt für die schwach gewordenen fußsohlen. grüngrau stoben sandringwellen über die weltmerkmale, ein rendezvous von großen und kleinen erwartungen, die zwischen starren floskeln die siesta lautlos zermalmten. kein wunder dachte ich im vorübergehen. flirrender teerdunst stieg aus dem löschsand und grub sich, kontur für kontur, in die obere kopfschattenlinie. mein sturmgepäck ging unfrei an w. - dritter versuch. ich bemühte mich, beim thema zu bleiben.
hinter einem mauerkeil liegend, dachte ich über alles nach. was geschehen war. nie wieder würde ich gehen können. was immer ich auch versuchte, die beine waren fernab. ich mochte nicht hinsehen. schmerzen hatte ich keine.
kinderweinen von irgendwo. bilanz. im zeitraffer. drüben ging eben die sonne auf. gleißend. kaum zu ertragen.
wieso das herzkribbeln? im reifweißen overkillsumpf lag schleichender drehschluss. brandwürzig der schein über der stadt und dem waldhügel. graurotweiß - oder so ähnlich. ich hielt mich an, ruhig zu atmen, die müdigkeit wurde unerträglich. "nur nicht einschlafen!", dachte ich schlusslogisch, "wer weiß, ob danach nicht nacht ist und alles dunkel um mich. oder ich vielleicht sterbe im schlaf." alberne überlebensbemühungen.
nach weiteren schnellen veränderungen der zerbröckelnden umgebung setzte schneefall ein. ich erinnerte mich der zahlreichen schilderungen eines fallouts und wunderte mich. vielleicht auch nicht. jedenfalls war mir einst so traumvisionstrunken erschienen, was nun realität geworden war.
ich meinte, neben mir ein rascheln zu vernehmen, blickte aber dennoch nur in mich hinein. was wäre, wenn alles hin und ich mit wenigen überlebensopfern... halt! kaum der rede wert, die folgenbeschreibung glaubt mir sowieso keiner. und, überhaupt, wer sollte sich später einmal dafür interessieren, wenn alle tot wären oder die letzten siechen...?! nein, quatsch. wenn es zu spät wäre, könnte ich nicht mehr denken.
das kinderweinen ebbte ab. "der spielverderber!", dachte ich, als st. die trommel rührte und schrie, es sei GOTTES GERICHT über die welt gekommen. homemade, wie omas kirschmarmelade, die seit jahren nach teer schmeckte, weil der regen die geschmacksnoten vergab.
platzhalter
mein freund Kaddisha fragte mich neulich, ob mir tatsächlich an einem platzhalter für mein künftiges leben gelegen sei. nach einiger
überlegung kam ich auf die idee, ihn zu fragen, was er denn getan hätte, sofern er - wie ich - nach dem abitur genötigt worden wäre, soziologie und vetternwirtschaft zu studieren, was ja in den
1970ern bei den übrig gebliebenen 68ern gang und gäbe war.
weisheitswelt adé
"ich möchte dir nun ein geheimnis verraten", sagte ich zu Kadischa, der begeistert näher rückte, um nur ja kein wort zu verpassen. "höre!", sagte ich zu ihm, "du bist alleine gewesen (die betonung lag auf "gewesen"), und da du dich jetzt für eine andere lebensart entschieden hast als die bisherige, möchte ich dir einen guten rat geben, den rat der räte, gewissermaßen. etwas besonderes zu besitzen, ist nicht dasselbe, wie es sich zu leihen oder morgen schon wieder wegzuwerfen. im gegenteil! es ist immer wieder schmerzlich, zu erfahren, wie andere leute leben, ohne dabei zu erkranken oder gar verzweifelt die welt zu beklagen. gehe einmal hin und tue so, als ob dir diese art etwas ausmache! ich mag hier keine weiteren ratschläge geben, denn ich sehe dein gesicht leuchten hinter der großen dunklen glasscheibe, und an manchen tagen magst du sogar hoffen, es könne sich etwas ereignen, was dich, Kadischa, erschauern ließe. gemach den gepflogenheiten dieser weisheitswelt sage ich dir ein paar tricks, die du beherzigen solltest und weise dir somit den weg in die freiheit!" damit endete meine rede an ihn.
"nun komm einmal näher!" sagte Kadischa am nächsten tage zur seitwärtsschönen, als er an ihrem balkon vorbeiging. sie tat so, als ob sie ihn nicht hören könnte und maß ihn im vorbeigehen mit einem blick der verachtung.
nach ein paar stunden der eintönigkeit räumte Kadischa sein angeschlagenes gemüt auf. von innen nach außen. abends kletterte er über den zaun zahlreicher sich widersprechender emotionen und schon einen tag später war alles vorbei. weiter begab sich nichts mehr.
man könnte sich fragen, weshalb diese geschichte passiert ist und welchen sinn sie hatte. aber die frau wusste ja bereits den ausgang, bevor sie ihn
am dorfrand fand. den ausgang.
"meine dame", sprach Kadischa zu mir, als er mich unversehens an einem der heißen nachmittage in seinen gefilden traf, "meine dame, ich kann nicht verstehen, weshalb diese frau noch hofft." ich gab ihm zu verstehen, dass dies wohl deshalb sein müsse, da ihr sonst das leben abhanden käme, so wie ihm, der das erreichte wegschmiss, als rote locken gerade in mode waren und dafür - quasi als dank - nichts weiter erhielt, als neue pflichten, die ihn am weggehen hinderten.
er ließ sich dennoch nicht beeindrucken, und da die frau für ihn bat, ließ ich ihn ziehen.
1998 ist dann das jahr der jahre für ihn gewesen, das ihn zum nachdenken zwang, solange er lebte.
niemals zuvor war er allerdings einem komischen menschen begegnet, der ihn herausforderte, seinen anteil am leben mit ihm zu teilen und den er angesichts der eigenen bindung (an wen?) in die freiheit der nichtbeachtung entließ. "schade!", dachte Kadischa, als es zu spät war und freute sich dennoch, zu sein, was er war.
ich meinte daraufhin noch einmal, ihm raten zu müssen, etwas für diese frau zu tun, doch er stritt dies ab mit dem hinweis, sie würde sich doch ihrerseits ganz gut amüsieren, so alleine sie ihm auch erschien. nichtsdestotrotz wollte sie nicht glauben, dass der karren dermaßen verfahren war, obwohl er - wie immer - mit blicken konterte, die ihr das blut in den adern gefrieren ließ. schauderhaft. nicht auszudenken, wenn da erst einmal ein funken übergesprungen wäre. der wind hätte ihn wegtragen müssen. in den himmel der absurditäten.
eine bulldogge wollte sich über seine tagträume hermachen, doch Kadischa bewahrte sich alleine durch sein ausharren vor dieser schmach. kein tag verging dann, ohne dass die frau sich gesagt hätte, es könne schlimmer kommen. was wäre zum beispiel gewesen, wenn es Kadischa nicht fertiggebracht hätte, ihr zu gefallen und sie daraufhin eine alte frau mit beschwerden ihres alters geworden wäre, was ja immerhin auch für die geliehenen kinder eine belastung sondersgleichen bedeutet hätte? ich meinte, zu hören, dass ihr seine schüchternheit gut gefiel, und sie wollte alles daransetzen, ihm nicht noch einmal aus der nähe zu begegnen, damit nicht zerstört werde, was sich ja so, wie es jetzt war, über wasser halten ließ. wobei sie ganz richtig dachte, indem sie die kunst in allen fugen dafür verantwortlich machte.
Kadischa blieb, was immer er war: er mochte sich auch nicht ändern, denn eine änderung seinerseits hätte bei ihm ein solches unbehagen ausgelöst, dass die frau mit verzweiflung eine rückkehr in die vergangenheit erbeten hätte, was so einfach nach dem zerschlagen aller gläser nicht zu bewerkstelligen gewesen wäre.
das review-projekt
"ich sage dir, ich will sie nicht, diese frau!" sagte mein freund Kadischa jeden morgen beim frühstück, nachdem ich ihm eine andere frau vorgestellt hatte. "was hast du gegen sie?", fragte ich ihn entsetzt, da ich dachte, sie sei haargenau sein typ. "sie war wohl schon einige male verheiratet", meinte er trocken, "denn sie sieht mir nicht so aus, als ob es ihr ein leichtes sei, wieder einmal etwas pep in das leben eines jungen mannes zu bringen, der sich nichts sehnlicher wünscht, als eine frau mit muttersorgen; will sagen, sie sieht mir nicht so aus. allerdings hat sie mir versprochen, sich so bald wie möglich an einen tisch mit mir zu setzen, damit ich sie mir etwas näher betrachten kann." ich war wie vom donner gerührt, denn ich wusste, dass sie zum einen nicht mehr naiv genug war, um einen um soviel (innerlich!) älteren menschen ein guter mutterersatz zu sein und andererseits ließ sie mich auch wissen, ich sei an allem schuld, falls sie sich ernsthaft verliebe.
also gut, dachte ich mir insgeheim, lass sie sich beide einmal etwas beschnuppern, womöglich sollte es vorkommen, dass sie dann sofort "schippe winken" und von einander ablassen, sobald sie feststellen, dass jeder alleine doch glücklicher ist als ein paar, das sich pausenlos streitet.
was soll ich sagen: sie haben es gewagt und sind aufeinander zugegangen, ohne sich im gewühle zu verlieren. und wenn wir schon dabei sind, so möchte ich jetzt nicht behaupten, dass beide ein wenig wunderlich reagiert haben, nachdem sich herausgestellt hat, dass sie eine künstlerin ist und er ein bedeutender architekt, dem es nur ums pechhaben ging. natürlich war die frau empört über diese eröffnung und sie schwor sich, ihn bei gelegenheit dermaßen abfahren zu lassen, dass ihm dabei hören und sehen verginge. sie gab jedenfalls ihre eigenart nicht auf, die darin gipfelte, dass man sie beäugen konnte, wann immer man es wollte, allerding sofort verschwand, sowie es einem in den sinn kam, ihr ein wenig näher sein zu wollen als 250 m zum gesicht.
es kam vor, dass zuweilen etwas graues den weg dieser zweiten seitwärtsschönen kreuzte, ohne dass diesem umstand ein besonderer grund gegeben war. klar war es, dass sie sich freute, sobald er das auto nach nirgendwo vor dem haus bestieg, und sie dachte sich nichts dabei, dass es am nächsten tag so düster aussah beim blick in die wolken. natürlich meinte sie fälschlicherweise immer noch, es sei erklärte absicht gewesen, diesem unhold zu begegnen, ohne seiner habhaft zu werden oder sich weiterhin den kopf zerbrechen zu müssen.
obwohl sie langsam ein wenig schlauer zu werden begann, nahm sie das projekt noch eine weile ernst und fragte sich wehmütig, wann denn nun endlich schluss sei mit diesen üblen spielchen um treue und trugschluss. keinesfalls wollte sie in ein leben zurück, so, wie es hinter ihr lag; und auch die erkenntnis ums wesentliche konnte und wollte sie nicht mehr missen. und trotzdem tat die verwirrung alles beiseite, das zu überwinden sie sich einst besten willens vorgenommen hatte.
sie ließ die kleinigkeit auf sich beruhen und kümmerte sich vor allem um die kinder der nacht, die sie vor jahren ausgesetzt hatte, um die nonne von nebenan nicht zu beleidigen. diese nonne war im übrigen nur eine verborgene tigerin, die menschenfleisch berührte, sobald sich eines bot - ohne es zu fressen. komischerweise wollte niemand diese tigerin zähmen, obwohl kein risiko bestand, solange die tür zur freiheit nur weit genug offen geblieben wäre. wer schläft schon gerne bei offener wohnungstür, wenn es die möglichkeit einer flucht nach draußen trotzdem nicht gibt.
es blieb bei der parade außerhalb des tages und Kadischa machte sich daran, zu verschwinden, denn er wollte nicht einsehen, die frau mit einem anhang, groß wie er war, durchzufüttern.
abends bahnte sich gewohnheit ihren weg ins nichts.
Fortsetzung folgt!